“Es ist langsam und funktioniert schlecht. Wir müssen das Beschaffungswesen der US-Regierung komplett neu gestalten”. Diese Aussage stammt aus einem TV-Interview mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Präsident Obama beschreibt anschliessend, wie er die benötigte IT für seine Wahlkampagnen beschafft hat – eine Infrastruktur, die ihm zweimal hervorragend gute Dienste geleistet hat. “Wir haben vier IT-Cracks zusammengespannt und ein Brainstorming veranstaltet.” Das ist das absolute Gegenteil zum konventionellen Beschaffungsprozess, der auf Anforderungsmanagement und langwierigen Ausschreibungsverfahren basiert.
Obama sprach von IT – für sehr viele komplexe Beschaffungsvorgänge im B2B-Geschäft gilt jedoch das Gleiche: sie sind langsam, sie funktionieren nicht gut und was wohl das entscheidende ist, sie stellen nicht einmal sicher, dass die für den Auftraggeber bestmögliche Lösung gewählt wird.
Kann es sein, dass sich das Ende der Ausschreibungen wie wir sie kennen abzeichnet?
Können Verkäufer die Arbeitsweise des Einkaufs beeinflussen?
Sie werden vielleicht denken: ‘Phil, wir wissen dass Ausschreibungsverfahren nicht funktionieren, aber wir müssen da einfach durch, um den Auftrag zu bekommen’. In gewissem Sinn haben Sie recht, diesen Blog sollten daher auch Einkäufer lesen (senden Sie ihnen bitte den Link). Aber als Verkaufsprofi ist es durchaus möglich, die Arbeitsweise des Einkaufs zu beeinflussen – wie, darauf komme ich zurück. Lassen Sie uns jedoch zunächst das Problem etwas genauer betrachten.
Warum Ausschreibungsverfahren nicht funktionieren
Ich habe das folgende Beispiel einer Ausschreibung bereits früher beschrieben. Diese Ausschreibung hat uns sehr viel Zeit und Geld gekostet und wir hatten nicht die geringste Chance zu gewinnen.
Der verantwortliche Kollege bei Infoteam ist äusserst fleissig und auf Neugeschäft fokussiert. Es ging darum, ein Trainings-Programm für ein Rüstungsunternehmen mit zehn Bereichen durchzuführen. Und – was wichtig ist – er dachte, er hätte einen Coach in der Organisation des Kunden.
Auf unsere direkte Frage, ob unser Angebot in der Evaluation Erfolgschancen hätte, versicherte uns unser Coach – ja, sicher. Im nachhinein erfuhren wir, dass gemäss den Regeln des Einkaufs mindestens 9 Wettbewerbsangebote vorliegen müssten. Das war wohl der Grund, warum uns unser Coach unbedingt im Rennen behalten wollte.
Ermutigt durch unseren “Coach” machten wir nach Erhalt der Ausschreibung weiter. Das Angebot umfasste 120 Seiten und drei Personen arbeiteten an drei Wochenenden daran. Wir investierten gesamthaft 150 Arbeitsstunden. Wir gaben das Angebot termingerecht ab. Die Entscheidung wurde hinausgeschoben und erst nach langem Warten erfuhren wir von unserem Coach interessante Dinge.
Der Auftrag ging an einen Konkurrenten, der (wie sich herausstellte) bereits mit einem Unternehmensbereich zusammenarbeitete. Das Evaluationsteam in HR sah sich ausserstande die Angebote zu beurteilen und delegierte die Arbeit an ein Team von Managern – die Gleichen, die bereits mit dem Unternehmen arbeiteten, das schliesslich den Auftrag bekam.
Wie dies die Mängel in Ausschreibungsverfahren veranschaulicht
Schauen wir uns an, was bei Ausschreibungen falsch läuft und welche Konsequenzen für Kunden und Verkäufer sich daraus ergeben:
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Es dauert zu lange. Heutzutage ist Reaktionsstärke ein Haupterfolgsfaktor. Die meisten Unternehmen im B2B-Geschäft sind Teil einer Wertschöpfungskette und niemand hat Zeit aufwändige Beschaffungsprozesse zu durchlaufen. Man wählt daher Anbieter die man bereits kennt, denn dies ist der einzige Weg um schnell ans Ziel zu kommen.
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Es kostet zu viel. Ganze Armeeen von Einkäufern und Verkäufern beschäftigen sich mit Ausschreibungen. Wenn von fünf Anbietern die Angebote abgeben nur einer gewinnt heisst das, dass 80% der geleisteten Arbeit verschwendet wurden. Viele Fachexperten wurden davon abgehalten produktive Arbeit zu leisten, auch das verursacht Kosten. Der Kunde bezahlt zwar nicht direkt für diese verschwendete Arbeitszeit, indirekt jedoch schon. Denn jeder Anbieter muss seine „vom Kunden nicht bezahlten Vorleistungen“ irgendwo in seiner Kalkulation unterbringen.
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Ausschreibungen hindern Innovationen. Es ist für Kunden schneller und einfacher mit Anbietern zu arbeiten, die sie kennen. Neue Anbeiter mit neuen Ideen können es sich manchmal gar nicht leisten, auf aufwändige Ausschreibungen grosser Unternehmen zu reagieren. So werden innovative Unternehmen von Ausschreibungen ausgeschlossen.
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Der Ausschreibungsprozess schliesst alternative Anbieter aus. In oben genanntem Beispiel hätten wir den potenziellen Kunden besser qualifizieren und unsere Zeit nicht mit einem Angebot verschwenden sollen. Der Beschaffungsprozess schrieb aber eine bestimmte Anzahl potenzieller Anbieter vor. Bei genauer Betrachtung des Anbieterfeldes haben neben dem späteren Sieger und uns, eine ganze Reihe von weniger qualifizierten Unternehmen angeboten. Viele andere seriöse Mitbewerber wiederum erkannten den Vorteil des etablierten Lieferanten und boten erst gar nicht an. In der Folge sind dem Kunden wohl einige echte Alternativen entgangen.
Was können alternative Anbieter tun?
Um ehrlich zu sein, wir können von uns aus das System nicht verändern. Um ein besseres System zu finden, müssen wir eng mit Einkäufern und Entscheidern zusammenarbeiten. Ich bin in diesem Punkt aber zuversichtlich, denn ich war vor kurzem in einen umfangreichen Beschaffungsprozess involviert, der auf eine innovative Art und Weise durchgeführt wurde und der zu einer sehr viel effektiveren Beschaffung führte.
Ein neuer Weg für Ausschreibungen
In diesem Prozess war ich auf Seite des Kunden als Berater eingebunden. Es ging in diesem Falle um den Aufbau einer Marketing & Sales Academy für ein weltweit tätiges Chemie-Unternehmen.
Der erste Schritt für das Unternehmen bestand darin ein Budget bereitzustellen, um potenzielle Anbieter, die an der Evaluation teilnehmen sollten, für ihre Arbeit bezahlen zu können. Etwas, was ich bisher nie erlebt hatte
Der erste Schritt klingt vertraut: das Unternehmen sammelte seine Anforderungen und erstellte eine Shortlist potenzieller Anbieter. Von diesem Zeitpunkt an lief es allerdings anders. Das Unternehmen wählte vier Anbieter aus der Shortlist und bezahlte diese für die Teilnahme an Workshops, die der Validierung der Anforderungen dienten. Dieser Prozess war sehr interessant und die Ergebnisse waren äusserst wertvoll.
Aufgrund der Ergebnisse wurden die Anforderungen an vielen Stellen geändert. Beispielsweise betrafen die vorliegenden Anforderungen ausschliesslich das Training von Verkäufern. Man erweiterte diese Anforderungen indem man das Management mit einschloss. Den Anbietern war eben bewusst, welche Massnahmen dazu führen, dass Trainings auch umgesetzt werden.
Zusätzlich wurde den Lieferanten Zugang zum Buying Center gewährt. Die Entscheider konnten so einen Eindruck über die Zusammenarbeit mit den Anbietern gewinnen. Die Anbieter mussten anschliessend ein Angebot unterbreiten – aber es war viel wahrscheinlicher, dass eine optimale Lösung anboten wurde.
Wie sollten Sie nun mit Ausschreibungen umgehen?
Wir können das Vorgehen nicht über Nacht ändern - manche Anbieter bzw. Einkäufer sehen auch keine Veranlassung dazu. Die grössten Anbieter sehen in schwerfälligen Beschaffungsprozessen zudem den Vorteil, kleinere Mitbewerber eliminieren zu können. Im Einkauf mögen Ängste hochkommen, dass schlankere Prozesse auch weniger Arbeitsplätze zur Folge haben. Der verbreitetste Wunsch ist aber wohl der, schneller und kostengünstiger zu den besten Lösungen zu kommen.
Es bietet Sich Ihnen also folgendes Vorgehen an:
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Qualifizieren. Qualifizieren Sie jede Geschäftsmöglichkeit und verschwenden Sie keine Zeit auf Ausschreibungen, die Sie ohnehin nicht gewinnen können.
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Hinterfragen. Wenn aus Ihrer Sicht eine Ausschreibung nicht zu einer wirklich guten Lösung führt, hinterfragen Sie diese. Schlagen Sie einen besseren Lösungsansatz vor. Einkäufer, denen es nicht nur darauf ankommt möglichst viele Anbieter im Evaluationsprozess zu haben, sollten hier zugänglich sein.
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Vorgehensweise ändern. Wenn Sie mit Entscheidern sprechen können, schlagen Sie diesen alternative Vorgehensweisen vor. Beispielsweise einen Workshop zur Validierung der Anforderungen oder ein Prototyping das den Entscheidern ermöglicht, den Nutzen möglicher Lösungen zu erleben. Dieses Vorgehen im Verbund mit der Qualität des Realisierungsteams entfaltet eine weit bessere Wirkung, als das blosse Lesen von Dokumenten.
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Fallbeispiel. Ermitteln Sie zusammen mit einem Ihrer Bestandskunden die effektiven Gesamtkosten eines Beschaffungsprozesses inklusive aller Zusatzkosten und stellen Sie einen Vergleich zu einem schlanken Einkaufsprozess dar. Nutzen Sie solche Fallbeispiele als Mittel um potenzielle Kunden von alternativen Vorgehensweisen zu überzeugen.
Wir können das Ausschreibungsverfahren nicht über Nacht ändern. Aber: Unternehmen, die bessere Lösungen schneller und kostengünstiger beschaffen, verfügen über einen Wettbewerbsvorteil. Und darauf kommt es schliesslich an.
Fragen, die Sie sich stellen sollten
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Qualifizieren Sie konsequent jede Geschäftsmöglichkeit – insbesondere bei Ausschreibungen?
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Hinterfragen Sie Ausschreibungen wenn diese zu einer suboptimalen Lösung führen?
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Schlagen Sie Kunden schlankere Beschaffungsprozesse vor?
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