Kürzlich habe ich ein Interview mit Herrn Manuel Herrero, VP Supply Chain Management/ Procurement bei Bischofszell Nahrungsmittel AG, durchgeführt. Das Gespräch war eine einmalige Gelegenheit, mit ihm über die veränderte Rolle des Einkaufs zu diskutieren und mehr über die Erwartungen aus Einkäufersicht an den Verkauf zu erfahren.
Bischofszell Nahrungsmittel ist einer der 19 Produktionsbetriebe der Migros-Industrie Gruppe und gehört Migros, dem grössten Detailhandelsunternehmen der Schweiz. Bischofszell ist vor allem für Produkte wie Eistee, Rösti, Konfitüre und Convenience Produkte bekannt. Migros ist ihr grösster Kunde. Zudem beliefert sie andere Detailhändler im In- und Ausland, vor allem mit Eigenmarken.
Manuel, welches sind die wichtigsten Veränderungen in der Rolle des Einkaufs?
Der Einkauf ist zunehmend für die Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette verantwortlich. Er übernimmt heute eine strategische Rolle. Wir müssen ständig Innovationen vorantreiben und erwarten diesbezüglich Unterstützung von unseren Lieferanten.
Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels aufzeigen. Unser Lieferant für Dosen kann heute viel kostengünstiger produzieren, wenn er zwei anstatt wie bisher drei Teile zur Herstellung einer Dose benötigt. Diese Entwicklung bedeutete jedoch eine Umstellung bei Bischofszell, aber auch bei unseren Kunden. Der Lieferant unterstützte uns bei Gesprächen mit unserer technischen Abteilung und bei unseren Kunden, um die Vorteile des Wechsels vorzustellen.
Der Einkauf muss eine ganzheitliche Sicht auf solche Innovationsprojekte haben. Es gibt immer mehr interne Personen, welche einzubeziehen sind. Aus diesem Grund benötigt der Einkauf gute Kommunikations- und Verkaufsfähigkeiten. Deshalb suche ich heute Teammitglieder, die Verkaufserfahrung mitbringen.
Zudem versuche ich, die Attraktivität einer Karriere im Einkauf zu erhöhen. Wenn ich Universitäts-Abgänger frage, welche Rolle sie in der Organisation einnehmen möchten, gehört Beschaffung nie zu den Top 3. Das muss sich ändern; ich möchte das Image soweit verbessern, dass sich auch Kandidaten mit grossem Potenzial dafür interessieren.
Welche Fähigkeiten und Kompetenzen erwarten Sie von Verkäufern?
Ich erwarte, dass sie uns helfen, in der veränderten Rolle des Einkaufs erfolgreich zu sein. Sie müssen unsere Wettbewerbsposition stärken und die gesamte Wertschöpfungskette verstehen. Dazu ein Beispiel: Am 15. Januar 2015 hat die Schweizer Nationalbank den Mindestkurs des Schweizer Frankens zum Euro aufgehoben. Ein proaktiver Lieferant rief uns am 16. Januar an und stellte seine Vorschläge vor, wie wir aus dieser neuen Situation profitieren können. Andere Lieferanten reagierten nicht und verloren aus diesem Grund unser Vertrauen.
Wo sehen Sie den grössten Verbesserungsbedarf bei Verkäufern?
Als erstes müssen sie unser Geschäft besser verstehen. Ich erwarte, dass sie sich gründlicher auf Gespräche vorbereiten und präzise Informationen geben. Sie müssen mehr anbieten, als nur das Produkt. Sie müssen ihre Leistung von Jahr zu Jahr verbessern.
Wie gut stellen Verkäufer sicher, dass das Versprochene auch geliefert wird?
Da gibt es erhebliche Unterschiede. Meiner Meinung nach beginnt das Verkaufen erst nach der Vertragsunterzeichnung. Ich schätze, dass 70 % aller Verkäufer die Auftragserfüllung anderen überlassen. Nur 30 % der Verkäufer übernehmen selber die Verantwortung. Je grösser das Unternehmen, umso mehr zieht sich der Verkäufer nach Vertragsabschluss zurück. Je kleiner die Firma, umso besser werden wir betreut, auch wenn kein neuer Abschluss in Sicht ist.
Welche Tipps haben Sie für Ihre bestehenden Lieferanten?
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Liefern Sie, was Sie versprochen haben und machen Sie keine Fehler.
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Verstehen Sie unser Geschäft und betreuen Sie das gesamte Buying Center.
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Erhöhen Sie kontinuierlich den Service-Level.
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Lassen Sie uns spüren, dass wir sehr wichtig für Sie sind.
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Bringen Sie innovative Ideen und werden Sie ein wichtiger Bestandteil der Wertschöpfungskette.
Aus welchen Gründen tauschen Sie bestehende, langjährige Lieferanten aus?
Wir suchen nicht nach neuen Lieferanten, wenn es nicht nötig ist. Aber wenn ein bestehender Lieferant aufhört, uns zu stärken und die Beziehung vernachlässigt, suchen wir nach Alternativen. Die Tür für alternative Anbieter ist dann offen.
Wie identifizieren Sie neue Lieferanten?
Ich möchte betonen, dass wir nicht nach Alternativen suchen, solange wir dem bestehenden Lieferanten zufrieden sind. Wenn es zum Wechsel kommt, gehen wir auf Messen/Ausstellungen, stellen viele Recherchen an und sprechen mit Kollegen anderer Migros-Industrie Unternehmen. Unsere Recherchen werden durch einen 360° Evaluationsprozess untermauert.
Welcher Anteil der Verkäufer Ihrer Lieferanten heben sich durch ihre Arbeitsweise von ihrer Konkurrenz ab?
Aktuell sind dies nur etwa 30 %. Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels aufzeigen. Der Verkäufer eines Verpackungsmaterial-Herstellers zeigte uns in einem Meeting, wie wir den Umsatz von frucht-basierten Getränken steigern können. Dazu zeigte er anhand des Konkurrenzproduktes auf, weshalb dieses heute erfolgreicher ist. Er erklärte uns, wie wir den Wettbewerbsnachteil durch sein innovatives Verpackungssystem beseitigen können. Das hat mich beeindruckt.
Danke Manuel, dass Sie diese wertvollen Erfahrungen mit uns geteilt haben.
PS: Ich denke, dass nicht jeder Einkaufsleiter so innovativ und vorausdenkend ist wie Manuel Herrero. Ich glaube aber, dass immer mehr Unternehmen sich in diese Richtung entwickeln werden.
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